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Gregor Nagler

Marodes Augsburg 1 - Die ehem. Dominikanerkirche St. Magdalena

Aktualisiert: 28. Okt. 2020

Am 18. Okt. 2019 kritisierten mehrere Archäologen in der Süddeutschen Zeitung den Umgang der Stadt Augsburg mit ihrem römisch-antiken Erbe. Das als Interim geplante 'Römerlager' im Zeughaus sei nicht geeignet, die römische Geschichte Augsburgs in geeigneter Weise darzustellen. Es war von 'Römerendlager' die Rede. Am 3.12.2019 war schließlich in der Augsburger Allgemeinen zu lesen, dass die Sanierung des Römischen Museums 'verschoben' werden solle. Auch die römischen Fundamente am Pfannenstiel bleiben bis auf Weiteres verborgen. 

Die Entscheidung der Stadt ist aus finanzieller Sicht nachvollziehbar, auch angesichts der 2020 grassierenden Corona-Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Folgen. Zudem steht mit der Sanierung des Staatstheaters Augsburg ein besonders „dicker Brocken“ auf der Agenda der Stadt. Sie wird Mittel im Kulturbereich aufsaugen.


Schlimmer noch, auch zahlreiche Schulen in Augsburg sind marode, es gibt einen über Jahrzehnte verursachten Sanierungsstau.

Während es Möglichkeiten gibt, die archäologische Sammlung Augsburgs zumindest in Teilen zu präsentieren und römische Geschichte darzustellen, wenn auch nicht wirklich adäquat, so stellt sich doch die Frage nach der Zukunft des Gebäudes, der ehem. Dominikanerkirche St. Magdalena. Diese Frage wurde, wie ich finde, in der Presse kaum aufgegriffen. 

Augsburg vermarktet sich gern als 'Stadt der Renaissance', als 'Fuggerstadt', als 'Stadt des Humanismus' usw.. Die genannten Schlagworte hängen alle mit der Bedeutung Augsburgs in der Zeit um 1500 zusammen. Aus dieser Phase der Stadtgeschichte sind die Fuggerei (1516-23), die Fuggerkapelle (1509-18) bei St. Anna, St. Ulrich und Afra (seit 1467) sowie das heutige Maximilianmuseum (1544-46), ehemals ein Patrizierhaus, erhalten. Zwei weitere bedeutende Bauwerke, St. Katharina (1516/17, Staatsgalerie Altdeutsche Kunst) und St. Magdalena (1513-15, Römisches Museum) wurden im 19. Jahrhundert säkularisiert und vom bayerischen Königreich förmlich ausgeräubert, später aber immerhin einer musealen Nutzung zuführt, St. Katharina schon 1835, St. Magdalena 1916.

Zahlreiche andere Zeugnisse der Renaissance wie die Heilig-Kreuz-Kirche (rk, 1502-09), die Fuggerhäuser am Weinmarkt (seit 1512/15) und am Rindermarkt (1490-95), Raymund Fuggers Gartenpalais (1517), das Welserhaus (1539/40), das Hoechstetterhaus (1504/07), die Gärten der Hoechstetter (um 1510), der Fugger (um 1550) und vieler anderer, um nur wenige Beispiele zu nennen, sind entweder ganz zerstört oder nur in Fragmenten erhalten. Kaum eine 'Renaissance-Stadt' in Europa ist so gründlich leergeräumt und zerstört worden wie Augsburg.

Die ebenfalls häufig zur 'Renaissance' gezählten Bauten Elias Holls sowie die 'Prachtbrunnen', Neptun, Augustus, Merkur und Herkules gewidmet, gehören einer anderen Phase der Stadtgeschichte im Vorfeld des 30-jährigen Krieges an. Häufig werden sie zum Manierismus oder schon zum Barock gezählt (Dietrich Erben, Die Kunst des Barock, München 2008, S. 66-68)

Würde es einen Ort in Augsburg geben, den ein kulturinteressierter Reisender besichtigen müsste, wollte er die 'Renaissance' in Augsburg sehen, wäre es neben der Fuggerkapelle und den Gemälden in der Staatsgalerie Altdeutsche Malerei doch die ehemalige Dominikanerkirche St. Magdalena, „der eigentümlichste und wohl auch schönste Raum unter den Kirchen“ (Georg Dehio). Zwar wurde das Gotteshaus 1716-24 barockisiert, zeigt aber noch sehr eindrücklich das Raumbild der Renaissance mit den beiden Hauptschiffen ähnlich wie St. Katharina. 

In St. Magdalena wurden zahlreiche Augsburger Patrizier, auch Konrad Peutinger bestattet. Hier ließ Kaiser Maximilian vier Gedenkplatten anbringen (1519-20). Hier befanden sich ehemals bedeutendste Kunstwerke der Renaissance, des Manierismus’ und des Barocks, was den meisten Augsburgern gar nicht bewusst ist. Ich nenne Gregor Erharts Skulptur der Magdalena (um 1510, heute im Louvre, Paris), den Fuggerschen Bronzealtar von Hubert Gerhard und Carlo Palagio (1581-84, heute im Victoria & Albert Museum, London), die Altarbilder 'Christus bei Maria und Martha' von Jacopo Tintoretto (um 1580, heute in der Alten Pinakothek, München) und 'Himmelfahrt Mariä' von Giovanni Landfranco (1631/32, heute in der Pfarrkirche Christkönig, München), der Ecce homo von Georg Petel (1630/31, heute im Augsburger Dom) und der Rehlingeraltar von Ulrich Apt (1517, heute in der Staatsgalerie Altdeutsche Malerei, Augsburg). 


In der Augsburger Allgemeinen war nun zu lesen, dass die aus Gründen der statischen Sicherung dringend notwendigen Sanierungsarbeiten weitergeführt werden sollen. Dies umfasse aber nicht die Nutzung als Museum. Es steht zur befürchten, dass das Bauwerk über Jahre nicht genutzt werden kann. Dies ist wohl keine sinnvolle Perspektive.


Müsste es nicht ein Konzept geben, wie die ehemaligen Dominikanerkirche St. Magdalena, zumindest zeitweilig genutzt werden könnte? Müsste nicht die herausragende Bedeutung des Gebäudes für die `Augsburger Reneaisscance‘ dokumentiert und dargestellt werden? Warum gibt es keine Initiative z.B. mögliche Mäzene und Förderer anzusprechen?


Der Umgang mit einer baulichen Ressource, wie sie gerade ein Kulturdenkmal wie die ehemalige Dominikanerkirche darstellt, scheint mir geradezu erschreckend.


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