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Gregor Nagler

Verschwundenes Augsburg 1 - Das 'Tivoli'

Nach den starken Bombenschäden in der Augsburger Altstadt verwirklichte das Stadtbauamt eine schon seit dem 19. Jahrhundert geplante Idee: Eine Ost-West-Straße durch die Innenstadt. Zwischen dem Stadttheater und der breiten Jakoberstraße entstand 1953-55 eine geschwungene Trasse, die die Innenstadt erschloss und den Verkehr von Ost nach West aufnahm.

Stadtbaurat Walther Schmidt und der Leiter des Stadtplanungsamtes Vino Eisinger mussten nun Raum für parkende PKW schaffen, um das Geschäftszentrum am Stadtmarkt autogerecht zu erschließen. Auf ehemaligen Gartengrundstücken westlich der Annastraße entstand 1956-57 ein Parkhaus für 390 PKW von Gerd Wiegand.

Daneben lag am neu angelegten Ernst-Reuter-Platz ein von Beltscho Michael Barnekow 1957-58 errichtetes Gebäude in Stahlbetonskelettbauweise.

Neben der ADAC-Geschäftsstelle und einem Kosmetiksalon im Erdgeschoss lag eine Passage mit der Kasse für das im ersten Obergeschoss liegende Kino, zu dem eine geschwungenen Treppe führte. Nach Außen zeichnete sich das Foyer als wuchtiger Kubus ab. Der daneben liegende Kinosaal mit nachtblauer Decke, teils samtbespannten, teils plattenverkleideten Wänden und 280 Sitzplätzen war durch einen nach Außen verglasten, wie der Saal abfallenden Korridor erschlossen. Das Kino konnte nach der Vorstellung auch durch eine Freitreppe mit Flugdach verlassen werden.

Foyer und Glaskorridor erinnerten in der Außenansicht an eine Filmkamera, was die Architektur sicherlich zu einer originellsten der 1950er Jahre in Augsburg machte. Das von Anna Wimmer & Söhne betriebene Kino war insbesondere für Erstaufführungen gedacht und deshalb besonders repräsentativ.

1979 wurde der Kinosaal unterteilt, die Fassade 1982 verändert. Seit den 1970er Jahren wurde der Ernst-Reuter-Platz mit Parkhaus und Tivoli als ‚Hinterhof‘ wahrgenommen. Es gab Pläne für eine Erweiterung des Stadtmarktes von Hans Engel, schließlich für eine Einkaufszentrum vom Architekturbüro Schrammel. 2001 schließlich wurde das ‚Tivoli‘ trotz Eintrags in die Denkmalliste abgebrochen. Sein Standort blieb leer, nebenan wurde 2007-09 die neue Stadtbücherei vom Architekturbüro Schrammel erbaut.


Quellen | Literatur

ADAC-Haus mit Tivoli-Theater am Ernst-Reuter-Platz, in: Schwäbische Landeszeitung, 1. März 1958

Aus Alt- und Neubauten entstehen Stadträume. Die Pläne für die Umgestaltung des Reuterplatzes, in: Augsburger Allgemeine Nr. 54 vom 6. März 1999

Ein Baudenkmal als „Kamera“. Architektur-Professor Nerdinger plädiert für den Erhalt des Tivoli-Kinos, in: Augsburger Allgemeine Nr. 49 vom 28. Februar 2001




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